von unserer Expertin Ines Baier; Krippenpädagogin, Sozialpädagogin und Erzieherin
Als ich meinen ersten Sohn geboren habe, war ich auf vieles vorbeireitet. Auf schlaflose Nächte, das erste Lächeln und die vielen finanziellen Mittel, die ich aufwenden muss. Aber seltsamerweise auf eins nicht: Wie sehr mich diese Veränderung beuteln wird! Dabei sollte ich es, als pädagogische Fachkraft, ja eigentlich wissen. Das Leben mit einem Kind besteht aus einer endlosen Reihe von Veränderungen. Gerade hat man sich an den Zustand gewöhnt, kommt die Veränderung. Und mit ihr, allzu oft, die nächste Krise.
Schon Charles Darwin wusste: „Nichts in der Geschichte des Lebens ist beständiger als der Wandel“
Natürlich muss ein Säugling zum Baby werden und ein Kind zum Jugendlichen. Und natürlich müssen wir Eltern da mitgehen. Leider sind nicht alle Veränderungen (in der Pädagogik nennt man sie auch Transitionen) leicht. Jeder neue Lebensabschnitt macht erst mal Stress. Aber Stressbewältigung kann gelernt werden! Es gibt Möglichkeiten der großen Krise, sei es durch die Einschulung, die Trennung der Eltern oder die Pubertät, etwas entgegenzusetzen.
Was Kinder mögen und was nicht
Kinder mögen keine Veränderung! Alles, was neu und anders ist macht ihnen erst mal Angst. Und Angst ist ein blödes Gefühl, welches Kinder nur schwer aushalten können. Jedes Kind reagiert anders auf Angst. Je nach Temperament mit Rückzug und besonders angepassten Verhalten, oder mit „Krawall“, also besonders auffälligen Verhalten. Beide Verhaltensweisen sind nicht gut. Obwohl die erste weniger stressig klingt, kann sie genauso belastend werden. Da ein Kind noch keine Erfahrungswerte hat, auf die es zurückgreifen kann, muss es den Umgang mit Stress und Angst erst mal lernen. Am besten lernt das Kind am Model, sprich den Erwachsenen in seinem Umfeld.
Wie gehe ich selbst mit Veränderungen um?
Diese Frage ist wichtig und wir Eltern sollten sie uns regelmäßig stellen. Welche Veränderungen machen mir selbst Angst? Der Umzug? Die Trennung vom Partner? Ein Jobwechsel? Jeder von uns hat seine individuellen Ängste. Und jeder von uns hat seine eigenen Strategien entwickelt mit Stress umzugehen. In letzter Zeit häufen sich die gesellschaftlichen Veränderungen (Corona, die wirtschaftliche Lage) wieder und diese Unsicherheiten schüren Existenzängste. Wie reagiere ich darauf? Und was lernt mein Kind aus meinem Verhalten?
Keep Calm – Methoden, um mit Veränderungen umzugehen
Wissen um mich selbst: was habe ich als Kind von meinen Eltern übernommen? Bin ich eher der Rückzugstyp, oder reagiere ich impulsiv? Erst aus dem Wissen um sich selbst, kann ich als Elternteil meinem Kind ein bewusstes Vorbild sein. Ich hatte mir den ersten Tag, den mein Sohn ohne mich in der Kita verbracht hat, ganz anders vorgestellt. Ich dachte das wird super! Ich gehe endlich ohne Kind in die Stadt und gönne mir mal ein paar ruhige Stunden. Was habe ich stattdessen gemacht? Geweint! Ich bin nach Hause und habe den ganzen Tag geweint. Was ich nicht bedacht habe, waren meine Verlustängste.
Wobei hier gilt: die unbewussten Gefühle und Gedanken nehmen die Kinder auch auf! Manche Verhaltensweisen werden daher über viele Generationen in Familien weitergegeben, ohne dass es den Familienmitgliedern bewusst ist.
Wissen um die Situation: wenn ich als Elternteil weiß, dass die nächste Veränderung anstrengend wird, kann ich ganz entspannt damit umgehen. So die Theorie. Leider wissen wir nicht immer, was genau auf uns zukommt. Und die besten Pläne können am Leben zerschellen. Die Einschulung wird perfekt geplant und das Kind kennt die Schule und die Lehrerin. Und dann wird diese Versetzt und das Kind hat dann doch eine andere Lehrerin als geplant. Trotzdem ist es gut die Situationen, die unser Leben verändern, genau anzusehen. Es gibt vieles, was wir Eltern schon im Vorfeld planen können. Damit unser Kind die Situation besser einschätzen kann.
Kommunikation ist der Schlüssel zu jeder Türe
Erziehung besteht größtenteils aus Reden. Wir haben als Eltern die, wirklich sehr schöne, Aufgabe unseren Kindern die Welt zu erklären. Erklären kann man auf viele verschiedene Art und Weise. Wenn ich die Situation schon selbst erlebt habe, ist es für das Kind gut, wenn ich meine Geschichte erzähle. Was habe ich bei der Einschulung erlebt? Kinder lieben Geschichten! Wenn ich nicht der gute Geschichtenerzähler bin, kann ich auf Bücher zurückgreifen. Zu allen Themen gibt es altersentsprechende Bücher. Auch für die sehr schwierigen Themen, wie zum Beispiel den Tod eines Menschen oder die Trennung der Eltern.
Wir müssen den Weg nicht allein gehen
Wenn wir nicht mehr weiterwissen, weil die Sorgen um unser Kind uns erdrücken, dann gilt eins: ich hole mir Hilfe! Es ist kein Versagen, sich als Eltern Hilfe zu holen. Jeder von uns kann in diese Situation kommen. Nicht jede Veränderung lässt sich leicht bewältigen. Manche brauchen Zeit und Raum. Wenn nichts mehr geht, dann kann ich immer den Kinderarzt fragen oder die Betreuer in der Kita. Wir müssen als Mutter oder Vater den Weg nicht allein gehen. Das afrikanische Sprichwort: „um ein Kind großzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf“ gilt überall auf dieser Welt.